Brasilia. Oder eine umstrittene (Plan-) Hauptstadt!

Brasilia ist nicht unbedingt eine übliche Backpacker-Destination. Keine der Traveler die wir bis dato kennengelert haben und die durch Brasilien reisen hatten die Hauptstadt auf dem Schirm. An sich kann Brasilia wenig internationalen Tourismus vorweisen. Die meisten Besucher sind Brasileiros. Das ist auch der Grund warum wir hier zum ersten Mal richtig feststellen mussten, dass in Brasilien eine andere Sprache gesprochen wird. In Foz de Iguaçu kam man noch sehr gut mit Spanisch zurecht. In Brasilia hingegen sprechen die wenigsten eine andere Sprache als Portugiesisch. Selbst die Dame an der Hotelrezeption konnte kein Englisch oder Spanisch. Deshalb haben wir gleich einmal ein Babbel-Abo abgeschlossen, um wenigstens etwas zu verstehen.

Die auch heute noch in großen Teilen futuristisch wirkende Planstadt in Form eines Flugzeuges (oder Vogels), welche in den 50er und 60er Jahren aus dem Nichts im Planalto von Brasilien entstanden ist, stammt aus der Feder von Stadtplaner Lucio Costa. Die Präsidenten Getulio Vargas und (vor allem) Jucelino Kubitschek waren große Förderer der Idee, eine neue Hauptstadt im geographischen Zentrum des Landes zu errichten. Die Verankerung in der Verfassung zur Gründung und Errichtung dieser, musste damals und noch heute viel Gegenwind abwehren.

Der Rumpf des Flugzeuges, der sogenannte Eixo Monumental, weißt die meisten architektonischen Werwerke auf, welche fast ausschließlich von Oscar Niemeyer, einem weiteren Stützpfeiler dieses unglaublichen Projektes, entworfen wurden.

Darunter natürlich die Kathedrale, das Nationalmuseum mit dessen Saturnähnlicher Form sowie der National-Congress und weiteren Ministerial- und Regierungsgebäude im “Cockpit” des”Flugzeugrumpfes, welchen wir am ersten Tag aufsuchten.

In den Flügeln hingegen befinden sich Banken, Büros und vorwiegend Hotels. Die meisten Einwohner Brasilias wohnen allerdings außerhalb der Planstadt.

Leider stellt man sehr schnell fest, dass Utopia auch heute noch nicht richtig funktioniert. Vor allem im Bezug auf die Stadtplanung und der Entwicklung und Nutzung dieser.

Die Dimensionen sind unglaublich. Die Freiflächen entlang des Eixo Monumental sind in jedem Fall, zumindest für unsere Verhältnisse, extrem unwirtschaftlich und größtenteils nicht genutzt und teilweise auch leicht verwahrlost. Vielleicht dachten die Macher, dass sich dort mit den Jahren weitere Objekte, Kulturangebote etc. ansiedeln könnten und somit das Areal verdichtet würde. Ist aber nicht passiert.

Auch politisch gesehen ist Brasilia nicht wirklich von jedem akzeptiert. Bis auf Dienstag und Mittwoch (Sitzungstage von Kongress und Senat) ist die Stadt fast Menschenleer. Ein Großteil der Abgeordneten, Politiker und Ministerialarbeiter verlassen an den anderen Tagen und am Wochenende die Hauptstadt Richtung Rio, Sao Paulo und anderen Großstästen und Bundesstaaten. Museen und Theater werden sowieso kaum besucht. Das Nationalstadion, welches für die WM 2014 erneuert und vergrößert wurde, wird mangels einer Profimannschaft und mangels deren Fans nicht genutzt und schimmelt vor sich hin. Lediglich die Logen werden als Büros für städtische Unternehmen genutzt und der Parkplatz dient als Busdepot und Fahrschul-Testgelände.

Eine Katastrophe ist auch die Einbindung vom Fußgängerverkehr. Ja. Brasilia ist ein Traum für Autofahrer. Keine Staus, gerade Strecken mit wenig Ampeln, unendlich viel Parkplätze. Also zumindest in der Planstadt.

Was ebenfalls nicht mehr so ist wie es sich die Planer und in erster Linie der Freiraumplaner Roberto Burle Marx ausmalten, sind die unzähligen und teils riesigen Wasserflächen und Brunnen auf Plätzen oder vor/an Gebäuden. Z.B. um die Kathedrale ist eine Wasserfläche vorgesehen. Doch war diese wie auch sehr viele andere, während unsererm Aufenthalt leer oder zu stinkenden Tümpeln mutiert. Hallo Zika-Mücke. Ist ja auch klar. Eine solche Verschwendung von Wasser während der Trockenzeit ist selbst in der Hauptstadt und bei einem Unesco-Weltkulturerbe nicht zu rechtfertigen. Vielleicht sind ja die Flächen zu anderen Jahreszeiten gefüllt?

Was aber in jedem Fall Zuspruch seitens der Brasilianer (ob Bewohner oder Besucher) findet, sind die zahlreichen Einkaufszentren in den Flügelbereichen. Der brasilianische Mittelstand ist mit dem der Vereinigten Staaten und von Westeuropa zu vergleichen. Somit auch dessen Konsumgewohnheiten.

Im Großen und ganzen hat sich für uns der Aufenthalt in Brasilia gelohnt. Das Wetter war super. Fast schon zu heiß. Wir konnten seit langem wieder kreolisch speisen, was einfach lecker ist. Es war uns möglich Werke von Niemeyer, zwischen 5 und 50 Jahre Bestand, zu besuchen und zu betrachten. Gleichzeitig konnten wir sehen, wie man idealerweise Städtebau nicht plant. Für uns war es ein Muss hierher zu kommen.

 

Unser Aufenthalt in Brasilia war vom 16. bis 19 Juli 2017  (Tag #307 bis #310)

(Hier gehts zur Übersicht der Route)

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